Mosaik der Religionen 2022
25 Jahre Zürcher Forum der Religionen
13. November 2022, Claudia Geiser, Geschäftsstelle Zürcher Forum der Religionen
Den Abschluss der «Woche der Religionen» bildete der interreligiöse Begegnungsanlass «Mosaik der Religionen». Unter dem Titel «25 Jahre Zürcher Forum der Religionen» blickten wir in der St. Anna Kapelle zurück und in die Zukunft und würdigten gleichzeitig Peter Wittwer, den 2020 verstorbenen Gründer des Zürcher Forums der Religionen (ZFR). Unterstützt wurde der Anlass durch das St. Anna Forum. Dessen Projektleiter Michael Wilke hiess die Anwesenden willkommen und gab ihnen eine kurze Übersicht über die spannende Geschichte der St. Anna Kapelle. Anschliessend begrüsste Cemile Ivedi die rund 80 anwesenden Personen im Namen der Geschäftsstelle des ZFR zur ausgebuchten Veranstaltung und leitete über zum Beginn des Programms mit Vertreter*innen der Mitgliederorganisationen und verschiedenen Weggefährten von Peter Wittwer.
Zuerst spielte Omer Nevo (Musiker und Kantor), der bereits das Eintreffen der Gäste musikalisch untermalt hatte, drei weitere Stücke. Anschliessend würdigte Vijyanattan Kumar vom hinduistischen Sri Sivasubramaniar Tempel Adliswil die tragende Rolle Peter Wittwers bei der Gründung dieses Tempels 1994 und sein Engagement für die zumeist tamilischen Gläubigen, die ihre Heimat verlassen mussten und denen er das Gefühl vermittelte, dass sie hier ihren Platz haben und ihre Identität und Religion leben könnten. Bilder von Peter Wittwer im Tempel begleiteten seine Worte. Dann sprach Martin Dreyfus (Jüdische liberale Gemeinde Or Chadasch); er beschrieb Peter Wittwer als Menschen, der dazu beigetragen habe, dass Vertreter verschiedener Religionen sich mit Respekt und Achtsamkeit begegnen können. Es folgte Kaser Alasaad, Imam des ImanZentrum Volketswil, der Suren aus dem Koran rezitierte.
Als nächste sprachen Veronika Jehle, katholische Theologin und Redaktorin beim forum Pfarrblatt, und Lars Simpson, Pfarrer der Christkatholischen Kirchgemeinde Zürich. Sie forderten die Anwesenden auf, aufzustehen und die Menschen um sich herum wertschätzend anzuschauen – so habe es auch Peter Wittwer gehandhabt, der die Menschen in ihrer Vielfalt wahrgenommen hätte. Anschliessend nahmen sie die Idee des Mosaiks auf; die Anwesenden wurden gebeten, die vorbereiteten bunten Zettel mit den Fragen «Was bedeutet mir das Zürcher Forum der Religionen?» und «Was erhoffe ich mir für die Zukunft?» auszufüllen und vorne auf dem Podest zu einem Mosaik zu legen. Dann baten Jehle und Simpson die Anwesenden, sich vorzustellen, sie hätten all ihre interreligiösen Kontakte nicht. Damit machten sie uns bewusst, dass wir dann gar nicht hier an diesem Anlass wären. Dass dieser möglich ist, sei auch ein Verdienst des ZFR über 25 Jahre hinweg. Anschliessend war Satish Joshi (Schweizerischer Dachverband für Hinduismus) an der Reihe. Er würdigte Peter Wittwer als H. H. (Honorable Hindu) und als grossen Freund des Hinduismus, der diesen Stein ins Mosaik eingefügt habe. Er gedachte ihm mit einem Mantra, das er zusammen mit den Anwesenden sang.
Das folgende Podiumsgespräch wurde von Christof Meier (Leiter Integrationsförderung Stadt Zürich) moderiert; als Gäste begrüsste er Ruth Gellis (Israelitische Cultusgemeinde Zürich), Sakib Halilović (Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich), Dechen Kaning (Vorstand Tibetisches Kulturzentrum Songtsen House Zürich) und Branimir Petković (Verband Orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich). Die fünf diskutierten, welcher Punkt in der Geschichte des ZFR für sie besonders wichtig war. Genannt wurden beispielsweise Peter Wittwers Engagement für das Friedhofsfeld für Muslim*innen im Friedhof Witikon, für die Gründung des Verbands Orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich, für den Besuch des Dalai Lama in Zürich sowie sein Buch «Ein Stück Himmel auf Erden. Ostkirchen in Zürich». Weiter wurde darüber gesprochen, was die Teilnehmenden über andere Religionen gelernt oder was sie daran besonders überrascht oder interessiert hatte, aber auch, welche Schwierigkeiten im interreligiösen Dialog es gegeben hatte. Zuletzt wurden mögliche Ziele für die nächsten 25 Jahre des ZFR genannt, und es wurde festgehalten, dass das ZFR lebensnotwendig für die religiösen Gemeinschaften sei und es hoffentlich noch viel mehr als weitere 25 Jahre existieren werde.
Nach dem Podiumsgespräch sang Pfarrer Isodoroc St. Samuel von der Koptisch-Orthodoxen Kirche der Heiligen Markus und Mauritius das Lied «Auf ewiges Gedenken», Rabbiner Ruven Bar Ephraïm von der Jüdischen liberalen Gemeinde Or Chadasch Zürich rezitierte Psalm 23 und zum Abschluss sprach Christoph Sigrist, Präsident des ZFR. Sigrist, der auch Pfarrer am Grossmünster ist, übernahm 2012 die Leitung des ZFR von Peter Wittwer, damals sein Pfarrerkollege an der Predigerkirche. Als Hoffnungszeichen möchte Sigrist im Garten des Pfarrhauses der Predigerkirche einen kleinen Apfelbaum pflanzen, den er mitgebracht hatte. Die Anwesenden hatten die Möglichkeit, ihre Gedanken auf einen Zettel zu schreiben und diesen an den Baum zu hängen und damit ebenfalls ein Zeichen zu setzen. Dann erklärte Sigrist die drei Bedeutungen, die der Apfel für ihn hat: erstens eine spirituelle, abgeleitet aus dem Text zum Apfelbaum im Hohelied; zweitens eine interreligiöse, denn es gebe keine reformierten oder katholischen oder buddhistischen Äpfel, sondern nur gute oder schlechte, und so würden auch die Religionen im ZFR aus verschiedenen Perspektiven auf denselben Apfel schauen; und drittens eine hoffnungsvolle, so wie im Luther zugeschriebenen Spruch «Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.» Sigrist wünscht sich, dass das ZFR den Apfelbaum pflegt, so dass seine Mitglieder später gemeinsam in seinem Schatten sitzen könnten. Dann stimmte Sigrist «Laudate Omnes Gentes» an und viele Anwesende stimmten in das Lied mit ein.
Im letzten Teil des Abends waren alle Anwesenden zum Apéro, zum Austausch und zur Begegnung mit den Teilnehmenden und Mitwirkenden eingeladen, musikalisch begleitet von islamischer Kunstmusik des Kanun-Spielers Roger Reicheneder. Zudem bestand die Möglichkeit, sich an fünf Tischen zum «Kafi-chränzli» mit Dechen Kaning, Hanna Kandal (Pfarrerin der Reformierten Kirchgemeinde Zürich, Kirchenkreis 12), Sacisuta Mataji (hinduistische Priesterin, Krishna Tempel Zürich), Kaser Alasaad oder Ruven Bar Ephraïm niederzulassen. Beide Angebote wurden bis zum Ende des Anlasses um 20 Uhr rege genutzt, und zahlreiche Teilnehmende und Mitwirkende dankten der Geschäftsstelle dafür, dass sie an diesem Jubiläumsanlass dabei sein konnten, den manche mit einem Familientreffen verglichen.