Rezitationen, Mantras, heilige Silben – eine 4000 Jahre alte Hindu-Tradition
11. November 2023, Krishna Premarupa Dasa, Krishna Tempel Zürich
Beim Betreten des Omkarananda Ashrams in Winterthur könnte man schnell vergessen, dass man in der Schweiz ist; man könnte vielmehr meinen, man sei in Südindien. Ein wahres Fest für die Sinne ist ein Besuch dieses Tempels – die wohlriechenden Räucherstäbchen, die vielen bunten Götterbilder und Statuen sowie der Klang von heiligen Mantren. «Sri Rāma, Jaya Rāma, Jaya Jaya Rāma» – eine Gruppe von Musiker*innen stimmt die rund zwanzig Teilnehmenden auf den Anlass ein. Es ging an diesem Abend um den heiligen Klang. Was sind die vedischen Mantren? Warum werden sie rezitiert? Und wie klingen sie?
Organisiert durch den Schweizerischen Dachverband für Hinduismus (SDH) öffnete der Ashram im Rahmen der «Woche der Religionen» seine Türen und gewährte einen wunderschönen Einblick in die Welt des Mantra-Singens. Nach einer kurzen Begrüssung durch Satish Joshi, dem Präsidenten des SDH, sowie den Grussworten von Vivekananda Swami, der Nonne und Leiterin des Ashrams, führte Tripurambika, eine Bharat Natyam-Tänzerin und Mitglied der Gemeinde, durch den spannenden Abend.
Tripurambika erklärte zuerst die Bedeutung des bekanntesten Mantras im Hinduismus, das Om-Mantra, und leitete anschließend eine stille Om-Meditation an. Das Om-Mantra ist eine klangliche Repräsentation des Göttlichen und gilt als der ursprüngliche Klang, aus dem das gesamte Universum entstanden ist. Die Prashna Upanishad, einer der klassischen vedischen Lehrtexte, beschreibt das Ergebnis der Meditation über das Om-Mantra wie folgt: «Wer über Om meditiert, wird eins mit dem Licht, wird in die Welt des höchsten Brahmans gehen und ewige Ruhe, Frieden und Unsterblichkeit erlangen.»
Im Anschluss rezitierten vier Nonnen des Ashrams das Narayana Suktam, ein Sanskrit-Gebet zu Ehren des Gottes Vishnu aus dem Krishna Yajurveda. Danach rezitierten alle gemeinsam ein bekanntes hinduistisches Friedensgebet, das auch schon von Tina Turner und Ravi Shankar gesungen und populär gemacht wurde.
Zum Abschluss wurden gemeinsam Bhajans gesungen. Bhajans sind gesungene Mantren, die oft mit dem Harmonium und Perkussions-Instrumenten wie der Tabla oder der Mrdanga begleitet werden. Diese Form von Mantrasingen ist vor allem in den Bhakti-Traditionen bekannt, wo es darum geht, durch den Gesang der verehrten Gottheit Hingabe und Liebe auszudrücken.
Abgerundet wurde der Abend mit einem indischen Gewürztee und Gebäck, bei dem sich Ashram-Bewohner*innen und Gäste noch weiter austauschen konnten.