Vergehen und Weiterleben im Buddhismus
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Tod als Übergang» aus der Reihe «Lebensende» im Krematorium Nordheim in Zürich
1. Juli 2021, Hanna Kandal-Stierstadt, Delegierte der evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich
Auf dem Weg zum Treffpunkt am Waldrand bin ich ganz Ohr. Der Wind streift durch die hohen Gräser, Grillen zirpen, Vögel zwitschern und rufen. Im Innenhof des Krematoriums Nordheim höre ich den Wasserstrahl aus dem Brunnenrohr strömen und auf der Wasseroberfläche plätschern. Gedämpft tönen die Stimmen der Ankommenden im steinernen Innenhof. Der Blick zum Himmel ist offen und weit.
Schon dieser Ort umschreibt in seiner Gestaltungsweise das Thema des Abends: Tod als Übergang. Hier oben begegnen sich Erde und Himmel. Die Geschäftsführerin des Forums der Religionen, Mirjam Läubli, begrüsst die rund 50 Anwesenden und teilt uns in zwei Gruppen ein. Meine Gruppe begibt sich zuerst in die grosse Abdankungshalle, wo wir einen Vortrag von Hildi Thalmann über die Sichtweise von Buddhistinnen und Buddhisten zu Sterben und Tod hören. Auch wenn im buddhistischen Denken die Idee einer unsterblichen Seele nicht übernommen wurde, wird der Tod nicht als absoluter Endpunkt gesehen. Vielmehr stellt man sich einen Bewusstseinsstrom vor, der kontinuierlich fliesst. Im Sterben löst sich das Bewusstsein vom Körper und gibt einen Impuls an ein neues Bewusstseinsmoment, das sich mit einem neuen Körper verbindet. Daraus ergibt sich ein ständiger Prozess von Sterben und Geborenwerden. Im Verlauf der Zeit entwickelte sich im Buddhismus die Vorstellung, dass es möglich sein könnte, das Rad der Existenzen zu durchbrechen und in einen Tod-losen Zustand zu gelangen, das sogenannte Nirwana oder «So-Sein», das immer schon da ist. Dem historischen Buddha wird zugeschrieben, dass er bereits zu Lebzeiten diesen Zustand erreicht und zu seiner wahren Buddha-Natur gefunden habe. Für die Glaubenden tragen alle Menschen in sich einen Funken dieser Buddha-Natur, zu der sie durch Meditation und Leer-Werden Zuflucht nehmen können.
Die Bestattungsrituale des Buddhismus fokussieren deshalb auf das Bewusstsein. Man stellt es sich an den Atem gekoppelt vor und versucht in der Sterbebegleitung, möglichste Entspannung zu erreichen. Der letzte Bewusstseinsmoment soll in tiefem Frieden erlebt werden. Deshalb halten Angehörige sich zurück mit ihren Emotionen, weinen und klagen nicht, berühren die Sterbenden nicht und halten sie nicht fest. Vielmehr erlauben sie ihnen, zu gehen, und lassen sie in Ruhe liegen. Allenfalls wird der Buddha in Gesängen angerufen und es werden Sutras gelesen. Während in früherer Zeit die Urnen mit den körperlichen Überresten mit nach Hause genommen wurden, werden in der Gegenwart – auch unter europäischem Einfluss – Grabfelder immer wichtiger. Eine schöne buddhistische Begräbnisstätte wurde 2018 auf dem Berner Bremgartenfriedhof geschaffen.
Im zweiten Teil des Abends führte uns der stellvertretende Leiter des Krematoriums, Andreas Bichler, durch die Aufbahrungs- und Verbrennungsräume im Untergeschoss und erläuterte den Ablauf einer Kremation. Die Teilnehmenden stellten viele Fragen. Was nach dem Tod geschieht, kann auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden. Im Krematorium geht es um den ganz elementaren Verbrennungsprozess, aber ebenso um das würdige Abschiednehmen. Berührend, wie achtsam die Mitarbeitenden im Krematorium mit den Bedürfnissen der Trauernden umgehen!