Partnervermittlung und Eheschliessung in der hinduistischen Tradition
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Verbunden im Zeichen der Sterne» aus der Reihe «Hochzeiten» im Sri-Sivasubramaniar-Tempel in Adliswil, 9. September 2020
10. September 2020, Veronika Jehle, Delegierte der römisch-katholischen Kirche des Kantons Zürich
«Bei der Partnerwahl haben wir alle mindestens 1000 Wünsche und Vorstellungen – am Ende werden uns vielleicht zwei davon erfüllt», sagt Suthakar Parameswaran und hat Lachen und Verständnis der Zuhörerinnen und Zuhörer auf seiner Seite. Zumindest 70 Prozent, besser 85 Prozent der Eigenschaften und des Wesens der Ehepartner müssen übereinstimmen, damit eine Ehe gelingen könne, ist der traditionelle vedische Astrologe und Heiltherapeut überzeugt – er ist spezialisiert auf die Erstellung von Horoskopen zur Paaranalyse, die zur Vermittlung passender Ehepartner in seiner Religion eine zentrale Rolle spielen. Rund 50 Gäste waren am Mittwoch, 9. September 2020 in den Sri-Sivasubramaniar-Tempel in Adliswil gekommen, um einen Einblick in hinduistische Hochzeitstraditionen zu erhalten.
Während Parameswaran davon erzählt, was bei der Erstellung eines Partnerhoroskops für ihn als Astrologen zentral ist, eröffnet Anuthigaa Varatharajan an diesem Abend eine persönliche Perspektive. Die 29-jährige Schweizerin mit tamilischen Wurzeln lebt eine arrangierte Ehe. Im Alter von 25 haben ihre Eltern mit Hilfe eines Horoskops jenen Partner gefunden, den zu heiraten sie sich dann entschieden hat. «Heiraten ist eine Frage des Vertrauens, ob arrangiert oder nicht», ist sie überzeugt. Obwohl es «natürlich ein Druck» gewesen sei, ihren ursprünglich «fremden Mann» näher kennen zu lernen, sei es gut für sie, diesen Weg gegangen zu sein. «Ich vertraue meinen Eltern und meiner Familie, auch in dieser Frage. Immerhin kennen sie mich besser als alle anderen Menschen.» Ihre Augen strahlen, wenn sie von jenen Momenten erzählt, die ihr von ihrer langen, ritualreichen Hochzeitszeremonie im Tempel von Adliswil im Jahr 2019 in Erinnerung geblieben sind: als ihr Vater sie als Braut ihrem Ehemann übergab, oder als ihr Ehemann ihr die «Delit», eine sakrale Halskette aus Gold, umgelegt hatte. Es wird klar, dass Hochzeit in hinduistischer Tradition ein Fest der grossen und weitläufigen Familie ist, in die das Brautpaar eingebettet ist. Bräutigam und Braut stehen am Tag ihrer Vermählung für Shiva und Shakti, die beiden göttlichen Pole des Männlichen und des Weiblichen, die die Familie wiederum übersteigen. Wie auch die Sterne, deren Kraft und Einfluss auf die Liebe der beiden die Astrologen zu ergründen suchen. Drei Aspekte hebt Suthakar Parameswaran aus den zwölf hervor, die für ihn für die Paaranalyse und das Partnerhoroskop von besonderer Bedeutung sind: zum einen die tägliche Liebe – auf Sanskrit «Dina» genannt, dann «Mahendra», jene Faktoren, die dazu beitragen, dass Kinder glücklich werden, und «Yoni», das weibliche Geschlechtsteil, also die Frage, ob sich die beiden Partner auch in sexueller Hinsicht zusammen passen. Grundwerkzeuge der Erstellung des Horoskops seien die 9 Planeten, 27 Sterne und 12 Häuser, deren Stellung zueinander im Verhältnis zu Geburtszeit und Geburtsort der betroffenen Personen auf wichtige Konstellationen schliessen liessen. Werde dann noch «Sandimuhurtam», die günstige Zeit, berücksichtigt, die es für jegliche Handlungen gebe, so würden die Sterne gut stehen für das frisch vermählte Paar. Parameswaran sagt: «Um Astrologe zu sein, braucht es viel Erfahrung und Praxis, nicht einfach das theoretische Wissen. Sonst ist es nicht mehr als Wahrsagerei.» Der 50-Jährige, der seit 30 Jahren in der Schweiz lebt, hat Wissen und Berufung von seinem tamilischen Grossvater übernommen und vertiefe seine Kenntnisse, seit er 14 Jahre alt sei.
Ich fühle mich sofort wohl im Raum – die Architektur ist luftig, die Atmosphäre ruhig und einladend. Die Infrastruktur von Beamer bis zum Soundsytem ist top-modern und wird während des Abends durch die vielen anwesenden Mitarbeiter immer wieder gekonnt eingesetzt. Unser Gastgeber: Imam Kaser Alasaad. Ursprünglich aus Syrien, lebt er seit sieben Jahren in der Schweiz und ist seit vier Jahren Imam im Iman-Zentrum. Die Moschee selber wurde vor acht Jahren eröffnet. Er erklärt uns, dass das Gebäude nicht nur eine Moschee, sondern eben ein islamisches Zentrum ist. Neben Gebet und Seelsorge werden die Räumlichkeiten für Unterricht, Vorträge und weitere Aktivitäten verwendet. Es wird betont: «Unser Zentrum ist offen für alle Muslime, unabhängig von ihrer Glaubensrichtung und Nationalität. Das Zentrum heisst jeden Menschen willkommen.» Es ist beeindruckend zu hören, dass fast wöchentlich Besucherinnen und Besucher aus Schweizer Schulen und Universitäten empfangen werden, um ihnen einen Einblick in den Islam zu geben.
Als sich der Klang von Glöckchen und intensiver Räucherstäbchen-Duft in die Erzählungen mischen, ist es Zeit, in den Tempelraum zu gehen. Eine «Puja» hat begonnen, ein Gottesdienst, zu dem auch einige Gläubige gekommen sind. Wiederum eröffnet sich eine neue Dimension, hier im Sri-Sivasubramaniar-Tempel in Adliswil, mitten im Industrieviertel an der Sihl, mitten in einer ehemaligen Fabrikationshalle. Bunte Säulen und Girlanden, kleine Altäre an allen Wänden, deren Kuppeln sich vor die Lüftungsrohre schieben, Götterstatuen, mit schönen Gewändern und Blütenblättern geschmückt. Als dürften die Gäste etwas von diesem Zauber mit auf den Weg nach Hause nehmen, gibt es eine Box mit fein gewürzten Speisen für alle. Corona-konform, versteht sich.