Der Ehebund gemäss muslimischer Tradition
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Zuneigung und Barmherzigkeit» aus der Reihe «Hochzeiten» im Iman-Zentrum in Volketswil, 22. September 2020
23. September 2020, Pfarrer Lars Simpson, Augustinerkirche, Christkatholische Kirche im Kanton Zürich
Hoch motiviert, meine Bildungslücke über Heirat und Ehe nach islamischem Verständnis zu schliessen, reise ich nach Volketswil. Dass der Standort des Iman-Zentrums der Islamischen Gemeinschaft Volketswil – immerhin die grösste Moschee des Kantons Zürich – etwas abgelegen liegt und nicht direkt mit dem öffentlichen Verkehrsmittel erschlossen ist, beweist, wie dringlich es wäre, dass religiöse Gemeinschaften bessere Standorte für ihre Sakralräume im Kanton erhalten. Das Zentrum besitzt dafür einen eigenen grossen Parkplatz.
Die orientalische Gastfreundschaft ist bereits am Empfang spürbar; dankbar nehme ich eine Flasche Wasser entgegen und suche einen Platz im bereits sehr gut gefüllten Gebetsraum, wo die Präsentation stattfindet. Insgesamt besuchen 120 Personen die Veranstaltung.
Ich fühle mich sofort wohl im Raum – die Architektur ist luftig, die Atmosphäre ruhig und einladend. Die Infrastruktur von Beamer bis zum Soundsytem ist top-modern und wird während des Abends durch die vielen anwesenden Mitarbeiter immer wieder gekonnt eingesetzt. Unser Gastgeber: Imam Kaser Alasaad. Ursprünglich aus Syrien, lebt er seit sieben Jahren in der Schweiz und ist seit vier Jahren Imam im Iman-Zentrum. Die Moschee selber wurde vor acht Jahren eröffnet. Er erklärt uns, dass das Gebäude nicht nur eine Moschee, sondern eben ein islamisches Zentrum ist. Neben Gebet und Seelsorge werden die Räumlichkeiten für Unterricht, Vorträge und weitere Aktivitäten verwendet. Es wird betont: «Unser Zentrum ist offen für alle Muslime, unabhängig von ihrer Glaubensrichtung und Nationalität. Das Zentrum heisst jeden Menschen willkommen.» Es ist beeindruckend zu hören, dass fast wöchentlich Besucherinnen und Besucher aus Schweizer Schulen und Universitäten empfangen werden, um ihnen einen Einblick in den Islam zu geben.
Imam Kaser Alasaad erklärt, dass die Ehe aus islamischer Sicht als eine seelische, geistige und körperliche Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau verstanden wird. Wir lernen vertieft die spirituelle Bedeutung der Ehe und die seelsorgerliche und liturgische Rolle des Imams kennen, wenn er das Brautpaar beim Ehevertrag mit einigen Versen aus dem heiligen Koran daran erinnert, dass sie einen neuen Lebensabschnitt vor sich haben: Auf dem gemeinsamen Lebensweg werden beide mehr über die Eigenschaften und Besonderheiten des anderen erfahren und erleben. Die wichtigsten Grundlagen einer Ehe sind: Liebe, Barmherzigkeit, Geborgenheit und Respekt. Der Glaube an Gott und die Liebe Gottes ist die Basis dieser Beziehung. «Das Paar ist der Kern (das Herzstück), aus dem eine grosse Familie mit vielen Verzweigungen entstehen wird. Daher ist es sehr wichtig, dass der Ehemann und seine Ehefrau einen sehr guten Kern bilden.»
Es wird im Islam empfohlen, dass man vor der Eheschliessung die Verlobung vollzieht. Die Verlobung gilt als Vorbereitung auf die Heirat. Die Frau und der Mann sollten sich gut kennenlernen. Beide sollen sich die Zeit nehmen, um sich für den besten Zeitpunkt für die Hochzeit zu entscheiden.
Es wird uns erklärt, dass fast eine halbe Million Musliminnen und Muslime in der Schweiz wohnen. Im Kanton Zürich sind es rund 100’000 Muslime. Ein Teil davon praktiziert den Glauben täglich. Viele Musliminnen und Muslime verrichten während des Monats Ramadan die Gebete und das Fasten. So gut wie alle Musliminnen und Muslime halten bei den wichtigsten Ereignissen ihres Lebens fest am Glauben und an den Glaubensregeln, wie z.B. bei der Eheschliessung, bei Geburt, schwerer Krankheit, Tod und Bestattung. Bei der Eheschliessung suchen die Menschen vor allem den Segen Allahs für ihre Ehe in der Moschee.
In Lauf des Abends wird deutlich, dass Imam Kaser Alasaad viele seine Mitglieder motivieren konnte, an diesem Abend mitzuwirken und einen Einblick in die vielfältigen Traditionen und Bräuche der verschiedenen muslimischen Herkunftsländer zu geben. Rund zehn Personen stehen Rede und Antwort und berichten uns von indonesischen, türkischen, kurdischen, ägyptischen, albanischen, pakistanischen, palästinensischen und sri-lankischen Hochzeitsritualen. Somit erhalten wir eine wunderbare Palette von Eindrücken mit Kurzfilmen und Bildern, die unterstreichen, wie vielfältig die Verlobung und die Eheschliessung in den verschiedenen muslimischen Ländern gefeiert werden.
Im Lauf des Abends ist es beeindruckend zu erleben, wie die Präsentation für das Gebet unterbrochen wurde. Am Schluss des Abends reise ich mit Corona-konform abgepackten Süssigkeiten und vielen neuen Erkenntnissen und schönen Erinnerungen nach Hause. Für den sehr interessanten Einblick und für die Gastfreundschaft danke ich Imam Kaser Alasaad und seiner Gemeinschaft ganz herzlich.