«Ich und Du» von Martin Buber. Interreligiöse Lesung und Diskussion
5. November 2023, Veronika Jehle, forum – Pfarrblatt
Knapp 30 Menschen versammelten sich am Sonntag im Rahmen der «Woche der Religionen» in den Räumlichkeiten der Stiftung SERA in Zürich-Oerlikon zur interreligiösen Lesung und Diskussion. Im Mittelpunkt standen kurze Textauszüge aus dem Werk «Ich und Du» des österreichisch-israelischen jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber (1878 bis 1965). Dem Werk liegt der Gedanke zugrunde, dass das «Ich» erst in der Begegnung mit einem «Du» zur vollen Entfaltung kommen kann. An diesem Abend sollten Vertreter*innen aus dem Christentum, dem Islam und dem Judentum zusammenkommen, um aus dem Werk zu lesen und darüber zu diskutieren. Ramazan Özgü, Mitorganisator des Abends, teilte zu Beginn mit Bedauern mit: «Es wird eine Lücke sein», und verwies auf einen Stuhl, der vorne bewusst aufgestellt wurde – und leer blieb: Die jüdische Vertreterin hatte sich auf Grund der aktuellen politischen Situation von der Veranstaltung zurückgezogen, «weinend», wie Ramazan Özgü erzählte. So war es an der muslimischen Vertreterin und am christlichen Vertreter, aus dem Werk «Ich und Du» vorzulesen und Gedanken dazu zu teilen. Martin Piller, römisch-katholischer Pfarrer in der Kirche Maria Lourdes, teilte unter anderem den Gedanken, dass erst im interreligiösen Dialog eine Religion zu sich selbst finden könne. Aynur Akalın, Primarlehrerin und der Stiftung SERA verbunden, hatte ihre Textpassage zufällig ausgewählt, durch Gebet und Wunsch, wie sie sagte. Sie teilte unter anderem den Gedanken, dass wir Menschen den Funken des Göttlichen in allen Lebewesen erkennen könnten. Nach diesen Inputs teilten sich die Anwesenden in vier Gruppen auf und diskutierten miteinander eines der folgenden Themenfelder: interreligiöses und weltanschauliches Lernen bei Jugendlichen; interreligiöse Kooperation; Antisemitismus – was tun?; Was bedeutet der interreligiöse Dialog für mich persönlich?
Nach anregendem und wertschätzendem Austausch waren alle zu einem feinen Apéro eingeladen. Die Moderation des Abends hatte Kıymet Işık inne, die aus der Türkei in die Schweiz geflohen war und aktuell als Freiwillige an verschiedenen Orten in Zürich im Einsatz ist. Sie hatte den Abend mitorganisiert. Sie betonte, dass Frieden und Dialog ein Erfolg seien und dass sie einen Grundstein dafür in den Schriften Martin Bubers finde. Die Stiftung SERA versteht sich selbst laut Angaben auf ihrer Website als Stiftung für Erziehung, Ausbildung und Integration, sie ist unabhängig und politisch neutral. Sie ist eine Mitgliedsorganisation der Hizmet-Bewegung Schweiz. Die Hizmet-Bewegung, auch Gülen-Bewegung genannt, ist laut Wikipedia eine «transnationale religiöse und soziale Bewegung, die vom islamischen Geistlichen Fethullah Gülen geführt wird». Sie hat ihre Ursprünge in der Türkei und ist seit 1989 in der Schweiz aktiv. Die Hizmet-Bewegung Schweiz setzt sich laut ihrer Website für die «universell geltenden Werte» ein und legt «die Priorität auf gegenseitige Verständigung, Achtung und Akzeptanz».