Wenn Götter in Milch und Honig baden
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Eine hinduistische Badezeremonie» aus der Reihe «Duftwelten» im Sri Sivasubramaniar Tempel in Adliswil
21. Mai 2015, Rahel Walker Fröhlich, katholische Theologin und Seelsorgerin
«Wenn Götter in Milch und Honig baden», so lautet der Titel der Veranstaltung im Sri Sivasubramaniar Tempel in Adliswil. In der jüdisch-christlichen Tradition bedeutet der Ort, wo Milch und Honig fliessen, das versprochene Land oder Paradies – ein verheissungsvoller Titel also. So mache ich mich auf nach Adliswil. An der Zughaltestelle in Adliswil-Sihlau treffe ich auf andere Besucher, mit etwas Hilfe finden wir den etwas unscheinbaren Tempel.
Von aussen sieht das Haus eher aus wie eine improvisierte Imbissstube oder eine Garage. Dafür überrascht uns das Innere des Tempels. Zuerst müssen wir die Schuhe ausziehen, wohl ein Zeichen, dass man Heiligen Boden betritt. Dann betreten wir eine grosse Halle, in der verschiedene kleine Götterschreine aufgestellt sind. Der Anlass hat viele Besucher angelockt, auch zwei Schulklassen und Familien mit Kindern, die bereits von einem Angestellten oder Freiwilligen des Tempels eine kleine Führung erhalten.
Dann beginnt sich der zuständige Priester für die Zeremonie vorzubereiten. Auch andere helfen mit, Blumen, Öl, Früchte, andere Lebensmittel und einen grossen Topf mit Wasser vorzubereiten und vor den Hauptschrein hinzustellen. Die Zeremonie, die wir hier sehen, wird in diesem Tempel jeden Morgen durchgeführt, egal, ob Gläubige dabei sind oder nicht. Es ist ein sehr altes Ritual. Der Gott Murugan, der zweite Sohn von Shiva, will baden. Das Ziel der Zeremonie ist, dass die Gläubigen Segen und Kraft erhalten. Es geht um eine Art Energieübertragung. Auch der Ausgleich der Menschen mit den göttlichen Kräften scheint wichtig zu sein. Ich persönlich kann darin vor allem die Sehnsucht des Menschen nach Frieden sehen.
Der Priester trägt die Esswaren in den Schrein hinein und beginnt mit dem Ritual. Nacheinander werden die drei Götterstatuen mit verschiedenen Esswaren bestrichen oder begossen, abwechselnd wird immer wieder Wasser darüber ausgegossen. Dabei singt der Priester Gebete und eine Glocke ertönt. Die Glocke ist so laut, dass sie die Gebete des Priesters übertönt. Das Ritual ist recht ausführlich, eine farbige und sinnliche Angelegenheit. Die Besucher sind interessiert und beeindruckt.
Nach der Zeremonie erklärt uns ein Freiwilliger des Tempels die Zeremonie. Dabei zeigt sich, dass wir mit unserem westlichen rationalen Denken an eine Grenze stossen. Unsere Fragen nach Sinn und Bedeutung werden nur begrenzt verstanden. Der Vollzug, weniger die Reflexion steht wohl im Zentrum, so deute ich das. Ich bin westliche Theologin und Seelsorgerin und gewohnt, mein rituelles und theologisches Handeln zu reflektieren. Meine Frage, ob die Gebete des Priesters von den Gläubigen verstanden werden müssen, wird allerdings beantwortet. Innerhalb der Gemeinde der Hindus in Adliswil ist sie nämlich schon kontrovers diskutiert worden. Die Gebete werden auf Sanskrit gesprochen, welches die Gläubigen nicht verstehen. So ist der Wunsch aufgekommen, die Gebete doch in der Sprache der Gläubigen, die hier aus Sri Lanka stammen, zu beten. Bisher konnte sich diese Ansicht jedoch nicht durchsetzen.