Bestattung und Abschied im Islam
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Das letzte Gebet» aus der Reihe «Lebensende» auf dem Friedhof Witikon in Zürich, 29. September 2021.
Christof Meier, Vorstandsmitglied im Zürcher Forum der Religionen
Über den muslimischen Grabfeldern zeigte sich ein Regenbogen, als sich an der letzten Veranstaltung der Reihe Lebensende die Gelegenheit bot, die Grabreihen auf dem Friedhof Witikon zu besichtigen. Auffallend war, wie vielgestaltig die einzelnen Gräber sind und dass sich auf einzelnen sogar Grabsteine mit Fotos finden. «In vielen muslimischen Traditionen geht das gar nicht», erläuterte Imam Muris Begovic, «aber diese Grabfelder stehen bewusst allen Menschen offen, die ein muslimisches Begräbnis wünschen. Dies bisher leider erst für die Bevölkerung der Stadt Zürich oder einer Gemeinde, die mit Zürich einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat. Deshalb werden auch Verstorbene rückgeführt, die kaum einen Bezug zu den Herkunftsländern haben».
Allen Gräber gemeinsam ist, dass sie nach Mekka ausgerichtet sind. Dies kann auf zwei ver-schiedene Arten erfolgen. Einerseits durch die Ausrichtung des Kopfes und andererseits – und wie es hier in Zürich der Fall ist – durch die rechte Körperseite, auf die auch der Kopf gedreht wird. Über die Bedeutung der rechten Körperseite wurden die nicht ganz 50 Teil-nehmenden der ausgebuchten Veranstaltung bereits zuvor informiert, als nach der Begrüs-sung durch die Geschäftsführerin des Zürcher Forums der Religionen in kleineren Gruppen der Waschraum besichtigt wurde.
Frauen werden von Frauen, Männer von Männern gewaschen, mit sauberem Wasser, Seife und Shampoo. Immer zuerst der Kopf, dann die rechte Seite und dann die linke, wobei die Geschlechtsteile immer bedeckt bleiben und der Körper anschliessend in zwei schlichte Lei-nentücher eingewickelt wird. Früher erfolgte dies durch die Familie, heute vor allem durch spezialisierte Bestattungsunternehmen und ergänzt von Gebeten und Rezitationen eines Imams. Die ausschliessliche Erdbestattung begründet sich durch das Gebet, das den Übertritt in die Wartezeit bis zum jüngsten Tag und der Barmherzigkeit Gottes unterstützt. Der Glaube an das Jenseits ist gemäss Imam Begovic essentiell für den Islam.
Auf das «möglichst bald» durchgeführte Begräbnis folgt eine Zeit der Trauer, die häufig drei Tage dauert, aber je nach Tradition bis zu 40 Tagen anhalten kann. In dieser Zeit ermöglichen Gäste durch ihre Besuche und mitgebrachtes Essen der Familie das Trauern. Diese Besuche sind für Freunde und Bekannte eine Möglichkeit Abschied zu nehmen. Denn eine Abdankungsfeier, wie sie hier im Anschluss an ein Begräbnis üblich ist, gibt es nicht. Und wenn im Christentum gedenkende Grabbesuche oft am Vortag von Allerseelen stattfinden, besuchen Muslime die Gräber insbesondere nach dem Bayram.
Ergänzend zu den vier Grabfeldern, von denen zurzeit im dritten begraben wird, gibt es auf dem Friedhof Witikon auch ein spezielles Feld für totgeborene Kinder sowie muslimische Familiengräber. Und zum Abschluss vielleicht noch die Antwort von Imam Begovic auf die Frage, wie Beileid ausgedrückt werden kann: «Man wünscht den Angehörigen viel Geduld, Stärke und Kraft, sie antworten, wir sind von Gott und zu Gott kehren wir zurück».