Der Adhan – der Gebetsruf
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Der Adhan – der Gebetsruf. ‹O Bilal, stehe auf und rufe zum Gebet!›» aus der Reihe «Klangfenster» im Dzemat der Islamischen Gemeinschaften Bosniens
25. Oktober 2013, Hanna Kandal, Delegierte der evangelisch-reformierten Kirche im Zürcher Forum der Religionen
Auf Arabisch ruft Imam Fermin Hamsic unserer Gruppe von Betenden und Gästen den Gebetsruf Adhan zu:
Allah ist gross.
Ich bezeuge, dass es keine Gottheit ausser Allah gibt.
Ich bezeuge, dass Muhammad Gottes Gesandter ist.
Eilt zum Gebet!
Eilt zur Rettung!
Allah ist gross.
Es gibt keine Gottheit ausser Allah.
Die warmen Farben im Gebetsraum in Schlieren, das dunkle Holz und das indirekte Licht – zusammen mit dem Klang des Adhan schaffen sie eine Atmosphäre, in der die Hektik und der Lärm des Feierabendverkehrs schnell von mir abfallen und ich ganz da bin.
Nach dem Abendgebet erzählt Imam Muris Begović, von Bilal, dem ersten Muslim, der die Worte des Adhan ausgesprochen hat. Im Traum seien ihm diese Worte zu Gehör gekommen. Um dem Wunsch von Kindern zu entsprechen, habe er sie das erste Mal laut gerufen. Verbunden mit dieser Geschichte ist die Erfahrung, dass jeder Mensch eine ganz persönliche Beziehung zum Gebetsruf entwickeln kann.
Der Adhan begleitet das ganze Leben. Auf die Frage: Was ist das Leben? antwortete einst ein Gelehrter: Was zwischen dem Adhan ohne Gebet und dem Gebet ohne Adhan liegt. Damit spielte er darauf an, dass dem Neugeborenen der Gebetsruf ins Ohr geflüstert wird, ohne dass nachher ein Gebet folgt, und dass das Totengebet ohne Gebetsruf gehalten wird.
Der Adhan, der Gebetsruf, wird eigentlich nicht gesungen, sondern gerufen, die Tonhöhen und Längen ergeben sich aus der arabischen Sprache, die stimmliche Ausgestaltung ist aber Sache des Muezzins.
Diese Beobachtung leitet über zu einem detailreichen Vortrag von Markus Klinkner über den Stellenwert der Musik im Islam. Spannend ist dabei für mich, etwas über die Meinungsvielfalt unter den islamischen Rechtsgelehrten zum Thema Musik zu hören. So komme es beim Musikmachen letztlich immer auf die innere Haltung der Musizierenden oder der Hörenden an, auf ihre Absicht, auf die Inhalte, auf die Instrumente und nicht zuletzt auf lokale Traditionen.
Der Adhan ist mehr Klang als Musik. In mir klingt er jedenfalls nach, der Adhan aus der Moschee in Schlieren und aus dem Film, in welchem bei einem interreligiösen Gebet in einer Kirche in Kalifornien der Gebetsruf ertönte.
Präsentation Markus Klinkner