Orakelsuppe
Erlebnisbericht zur Veranstaltung «Ein tibetisches Neujahrsritual» aus der Reihe «Gaumenfreuden» im Kulturzentrum Songtsen House
6. Juli 2017, Sandra Vogel, Mitarbeiterin Geschäftsstelle Zürcher Forum der Religionen.
An diesem heissen Sommerabend finden sich über 50 Teilnehmende im Songtsen House ein, um mehr über das tibetische Neujahrsritual der Orakelsuppe zu erfahren. Dechen Kaning, die im Zürcher Forum der Religionen die tibetisch-buddhistische Religionstradition vertritt, erläutert zuerst die Entstehungsgeschichte des Songsten House, welches im Jahr 2000 gegründet wurde. Danach führt uns Frau Kaning in das tibetische Neujahrsritual ein. Guthuk, wie die Orakelsuppe auf Tibetisch heisst, wird drei Tage vor dem tibetischen Neujahr zubereitet und gegessen. Die ganze Familie kommt zusammen, um diese nahrhafte Suppe zu kochen und zu verspeisen, damit niemand mit leeren Magen ins neue Jahr startet. Denn, so erklärt Frau Kaning, wenn jemand Hunger hat, hat er keine Energie, um Dinge in Angriff zu nehmen. Die Orakelsuppe wird traditionellerweise mit Fleisch zubereitet, da in Tibet Fleisch als Kraftquelle für das Leben im hohen Gebirge eine wichtige Rolle spielt. In Teigbällchen, die der Guthuk beigefügt sind, werden kleine Gegenstände oder Gewürze versteckt, welche die Charaktereigenschaften desjenigen enthüllen sollen, in dessen Schale sie landen. Zum Beispiel steht Chili im Teigbällchen für Scharfzüngigkeit. Die Suppe wird von der Mutter der Familie geschöpft.
Frau Kaning verteilt nach diesen Erläuterungen dann die von ihr zubereitete vegetarische Version der Orakelsuppe mit den Teigbällchen. In den Teigbällchen befinden sich kleinen Papierrollen, die jeweils mit einer der 17 Charaktereigenschaften bedruckt wurden. Die Eigenschaften, von arbeitsscheu über standhaft zu unersättlich, werden uns dann von Frau Kaning genauer erklärt. Frau Kaning erläutert, dass in jedem Charakterzug etwas Positives zu finden ist, auch wenn dieser auf den ersten Blick negativ wirkt. Dies reflektiert die buddhistische Art zu denken.